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Marcus Tullius Cicero, geb. 106 in Arpinum (Samnium), ermordet 43 v. u. Z. bei Formiae, römischer                                                     Redner, Politiker und Schriftsteller.

Cicero stammte aus dem Ritterstand. Er kam frühzeitig nach Rom, wo er eine vorzügliche Ausbildung besonders in Rhetorik, Philosophie und Rechtswissenschaft erhielt.

Nachdem er bereits unter Sulla als Redner in Prozessen mit politischem Hinter-grund aufgetreten war (1. erhaltene Rede „Für Quinctius“, 81 v. u. Z.), vervollkommnete er durch eine Studienreise nach Griechenland 79-77 v. Chr. seine Bildung (in Athen Freundschaft mit Atticus, eigentlich Titus Pomponius, ein reicher römischer Ritter, so benannt, weil er über 20 Jahre in Athen weilte).

Beim „Großmeister“ der Rhetorik, Apollonius Molon aus Alabanda/Karien, nahm er auf Rhodos an seinen berühmten Rednerkursen teil.

Seine Erfolge als Prozessredner ebneten ihm auch den Weg in der politischen Laufbahn, so dass er, trotz des Widerstrebens der Nobilität (lat. „Ruhm“, „vornehme Geburt“, regierender Adel der römischen Republik) gegenüber dem Homo novus (lat. „neuer, bisher unbekannnter Mann“, ursprünglich verächtliche Bezeichnung) alle Ämter zum frühestmöglichen Termin bekleidete. Er wurde 75 Quästor (lat. „Untersucher“, hochgestellter Finanzbeamter) in Sizilien, 69 kurulischer Ädil (Gehilfe des Volkstribunen), 66 Prätor, 63 Konsul.

Während seines Konsulats feierte Cicero seinen größten politischen Triumph durch die Niederschlagung der Verschwörung des Catilina. Die angeblich ungesetzliche Hinrichtung der Rädelsführer wurde Cicero jedoch zum Verhängnis. Auf Antrag des Clodius wurde er 58 verbannt, und obwohl er bereits nach einem Jahr ehrenvoll zurückgerufen wurde, hatte er seinen politischen Einfluß eingebüßt. In den folgenden Jahren verfasste er seine wichtigsten staatsphilosophischen und rhetorischen Schriften, bis er 51 die Verwaltung der Provinz Kilikien übernehmen musste. Beim Ausbruch des Bürgerkrieges schloß sich Cicero nach vergeblichen Vermittlungsversuchen dem Pompeius an, übte aber politische Zurückhaltung und erhielt 47 von Caesar Verzeihung.

Die folgenden Jahre erzwungener politischer Untätigkeit wurden zur Hauptepoche der philosophischen Schriftstellerei Ciceros (46-44). Nach Caesars Ermordung trat Cicero noch einmal politisch hervor und suchte die alte republikanische Ordnung wiederherzustellen. Als Führer der Senatspartei griff er in den 14 „Philippinischen Reden“ (benannt nach den Philippika des Demosthenes, einem äußerst gewandten Rhetoriker, bekannt besonders durch seine geschliffenen Reden gegen Philippos von Makedonien, den Vater Alexander des III, des Großen, den er als gefährlichsten Gegner der griechischen Freiheit leidenschaftlich verfolgte) Antonius aufs schärfste an. Antonius ließ ihn daraufhin nach Abschluß des 2. Triumvirats auf die Proskriptionsliste setzen und ermorden ( 7. September 43).

Das schriftstellerische Werk Ciceros umfasst die Reden, die rhetorischen Schriften, die philosophischen Schriften und die Briefe. Die  rhetorischen und philosophischen Schriften hat schon zu Lebzeiten sein Freund Atticus verlegt, die Reden sein Freigelassener Tiro herausgegeben, der auch Ciceros Nachlaß ordnete und einen Teil der Korrespondenz Ciceros zur Herausgabe vorbereitete.

Von Ciceros Reden sind 57 vollständig erhalten (Gerichts-, Senats- und Volksreden, etwa ebenso viele sind verlorengegangen. Während Cicero in den früheren Reden, in denen er mit Hortensius rivalisierte, der asianischen Stilmanier zuneigte, zeigte er bereits in den Reden gegen Verres seinen eigenen persönlichen Stil, der sich von den Einseitigkeiten des Asianismus und des Attizismus gleichermaßen freihält und gekennzeichnet ist durch Vermeiden von Fremdwörtern und Vulgarismen, reichliche, aber nicht übertriebene Verwendung der rhetorischen Schmuckmittel, die große, logisch und sprachlich deutlich gegliederte und rhythmisch gestaltete Satzperiode, die souveräne Beherrschung und jeweils dem Inhalt angemessene Verwendung aller Stilarten, worin ihm Demosthenes Vorbild war.

Seit dem Prozeß gegen Verres galt Cicero als unumschränkter Meister der römischen Beredsamkeit. Seine Reden hat Cicero für die Buchausgabe überarbeitet, da sie über den unmittelbaren gerichtlichen bzw. politischen Anlaß hinaus auch stilistisch-literarisch wirken und seinen Ruhm als Redner verbreiten sollten.

Von den rhetorischen Schriften sind vor allem wichtig die drei Bücher „De oratore“ (Vom Redner, 55), in denen Cicero das von ihm selbst angestrebte Ideal des allseitig gebildeten philosophischen Redners zeichnet; „Brutus“ (46), eine Geschichte der römischen Beredsamkeit;      "Oator“ (Der Redner, 46), worin Cicero die Frage nach dem besten Redestil behandelt und sein eigenes Stilideal theoretisch begründet und rechtfertigt.

Zur philosophischen Schriftstellerei hat Cicero nur in den Zeiten erzwungener politischer Muße Zeit gefunden. Am Anfang (56-51) stehen die staatsphilosophischen Werke „De re publica“ (Der Staat, nur fragmentarisch erhalten) und „De legibus“ (Die Gesetze, unvollendet), in denen Cicero im Anschluß an Platons philosophischem Hauptwerk das Bild des besten Staates mit der besten Gesetzgebung, verwirklicht in der römischen Verfassung (Mischung von Konsulat, Magistrat, Volksversammlung) zeichnet und damit zugleich die Nobilitätsherrschaft ideologisch begünstigt.

Politisches und persönliches Missgeschick (Sieg Caesars, frühzeitiger Tod der inniggeliebten Tochter Tullia) veranlassten Cicero, sich noch intensiver als bisher mit philosophischen Studien zu beschäftigen, und ließen in ihm den Plan reifen, die gesamte griechische Philosophie in ihren wichtigsten Teilen in lat. Sprache zu behandeln und so seinen römischen Landsleuten zugänglich zu machen. Diesen Plan verwirklichte er in den Jahren 46 bis 44 (erhaltene Hauptwerke: „De finibus bonorum et malorum“, Das größte Gut und das größte Übel; „Tusculanae disputationes“, Gespräche in Tusculum; „De natura deorum“, Das Wesen der Götter; „De officiis“, Die Pflichten).

Ohne selbständige Forschung zu betreiben, wählte er aus der griech. Philosophie jeweils diejenigen Lehren aus, die ihm verständig und nützlich erschienen (besonders die der Akademiker Philon von Larissa und Antiochos von Askalon und des Stoikers Poseidonios), und stellte sie in populärer Form (Dialogform) dar.

Von der umfangreichen Korrespondenz Ciceros sind vier Briefsammlungen nach Adressaten geordnet, erhalten, durch die wir Cicero auch in seinen persönlichen Gedanken und Empfindungen so genau wie keinen zweiten Menschen der Antike kennenlernen. Darüber hinaus sind die Briefe eine unschätzbare Quelle für die gesellschaftlichen, politischen und kulturhistorischen Verhältnisse jener Zeit.

Ciceros Bedeutung liegt nicht, wie er selbst geglaubt hat, auf politischem Gebiet. In völliger Verkennung der historischen Situation war er bestrebt, die innerlich durch Korruption und äußerlich durch die Forderungen der Popularen bedrohte Herrschaft der Nobilität, der er selbst nicht angehörte, zu stützen und musste, da er keinen festen politischen Standpunkt hatte, in den Machtkämpfen der ausgehenden Republik politisch Schiffbruch erleiden. Dagegen ist Ciceros Bedeutung auf dem Gebiet der Sprache und Literatur kaum hoch genug einzuschätzen. Vor allem durch seine Reden, aber auch durch seine rhetorischen und philosophischen Schriften ist er der Schöpfer der klassischen lateinischen Kunstprosa geworden, die in der Folgezeit als Norm und Muster der lat. Sprache galt.

Durch seine philosophischen Schriften hat er nicht nur die Kenntnis der griech. Philosophie in Rom verbreitet, sondern sie auch dem Mittelalter überliefert und damit zu ihrer Nachwirkung bis in die Neuzeit beigetragen. Von der Bedeutung der griech. Kultur für die Bildung des Menschen zutiefst überzeugt, hat er das Wort „humanitas“ zu einem Bildungsbegriff gemacht und damit zum Ausdruck gebracht, dass der Mensch erst durch Bildung zum Menschen wird.

Ciceros Nachwirkung war schon in der Antike außerordentlich groß, und in der Geschichte des Nachlebens der Antike hat Cicero unter Römern stets den wichtigsten Platz eingenommen. 120 Jahre nach Ciceros Tod hat Quintilianus den „Ciceronianismus“ begründet, indem er Ciceros Reden als mustergültig erklärte und nachdrücklich Ciceros Stil- und Bildungsideal propagierte. Sehr rasch fand auch das frühe Christentum Zugang zu Cicero. Lactantius wurde wegen seiner Cicero-Nachahmung der „christliche Cicero“ genannt; Hieronymus warf sich selbst vor, dass er ein Cicero-Anhänger („Ciceronianus“) und kein Christusjünger („Christianus“) sei; Augustinus datierte von der Lektüre des (verlorenen) ciceronischen Dialogs „Hortensius“ die entscheidende Wende seines Lebens.

Petrarca, der ein begeisterter Verehrer Ciceros war, verhalf dem „Ciceronianismus“ endgültig zum Sieg, so dass die Nachahmung des ciceronischen Stils, die mit dem Studium von Ciceros Schriften Hand in Hand ging, das erklärte Ziel der Humanisten wurde. Erst als im Neuhumanismus des 18. Jahrhunderts die griech. Originalwerke gleichsam neu entdeckt wurden, verlor Cicero seine Vorrangstellung in der Nachwirkung der Antike. Sein  Tradieren der griechischen Philosophie, Kultur und Lebensumstände sind jedoch ein einzigartiges Verdienst dieser faszinierenden Persönlichkeit.

Originalbüste Exponat des Kapitolinischen Museums in Rom.

 

 

Antike Repliken Peter Seitz, Tel. 08247/8484, www.antike-repliken.de, antike-repliken@gmx.de